Montag, 22. August 2011
Abschiedskonzert "Sozi Brain" /Retrospektive einer Band
Am letzten Freitag, den 19.08.2011 war es soweit: meine Band "Sozi Brain" gab nach ihrer 6-jährigen Schaffenszeit ihr Abschiedskonzert. Es waren 6 Jahre mit unzähligen Konzerten, Studioaufnahmen, Tourneen bis nach Dänemark und nicht zuletzt eine Zeit in der 4 Menschen sich zeitweise ziemlich nah kamen. Es war eine Ära, eine Ära die nun ihr Ende gefunden hat. Grund genug für mich, die komplette Historie inkl. Abschiedskonzert nochmals aufzurollen...


Es war im Spätsommer 2004 als sich alles in Gang zu setzen begonnen hat. Sam (Gesang, Gitarre) und ich (Schlagzeug) kannten uns bereits einige Jahre lang, dank dem Besuch der selben Schulklasse. Schon früh kam die Idee von uns, dass wir unser musikalisches Geschick einmal vermischen und eine Band auf die Beine stellen sollten. Sam hatte bereits erste Songs geschrieben ["Das Baby namens Menschheit" stammt z.B. aus dieser Ära - ein echter Oldie!] und meine Wenigkeit versuchte, diese am Billig-E-Drum zu begleiten. Da man damit aber kaum vorwärts kam, lag das Projekt bis zum erwähnten Zeitpunkt aber erstmal auf Eis.. bis wir gemeinsam als Besucher zum "Soundflecke Open Air" in Zurzach pilgerten. Es war ein friedliches kleines Festival und die Band "Skaramouche" brachte die Leute gekonnt zum tanzen, als urplötzlich Sam auf mich zugerannt kam und mir die Worte "Ey, ich hab 'nen Gitarristen gefunden!" in mein linkes Ohr schrie. Kurzum wurde ich quer durchs Publikum gezerrt und stand plötzlich vor einem jungen Mann in unserem Alter. Nackenlanges braunes Haar, Brille auf der Nase und grade sehr mit Tanzen beschäftigt, stellte er sich mir als Marius vor. Zu jenem Zeitpunkt bedarf es nicht der vielen Worte, es war ziemlich schnell klar, dass dieser humorvolle Geselle fortan zu unserer Truppe gehören wird. So schnell kann's gehen...

Nur wenige Wochen/Monate später befand sich Marius auf einer Geburtstagsparty, auf die er sich im Grunde selbst eingeladen hatte. Nachdem er irgendwann gelangweilt in der Küche landete, sass dort ein weiterer Herr, der genau auf die selbe Weise an jenen Ort gelangte. Man stellte sich einander vor, trank ordentlich Bier zusammen und keiner von beiden wusste am nächsten Tag mehr, wer der andere eigentlich war. Und dennoch brachte man es irgendwie auf die Reihe, dass der selbe junge Punker ein paar Wochen später in unserem Proberaum stand, an seinem Bass rumzupfte und sich einfach nur als PJ vorstellte. Sozi Brain war geboren.
Da wir nicht auf Dauer meinen Eltern von deren Keller aus auf die Nüsse gehen konnten, mussten wir uns einen Proberaum suchen. Fündig wurden wir in Ennetbaden in einem kleinen, beinahe abbruchreifen Haus. Bereits mehrere Bands waren dort einquartiert, weshalb wir uns dachten, so schlimm kann es nicht sein. Zudem ging der Preis absolut in Ordnung.
Allerdings zahlten wir nicht nur für die paar wenigen uns zur Verfügung stehenden Quadratmeter, sondern auch für Löcher in den Wänden, Mäuse im Proberaum, kaum auszuhaltende Kälte ohne Heizung, ein Fenster welches sich nicht wirklich schliessen liess und eine immer anhaltende Feuchtigkeit, die mit unzähligen Pizzaschachteln und alten Teppichen in Schach zu halten versucht wurde. Und als der Mülleimer langsam voll und kein Platz mehr für leere Bierdosen mehr war, wurden die spontan in die an der Decke aufgehängten Leinentücher geworfen - so schult man selbst im Proberaum seine Basketballkünste! Nicht umsonst wollten wir unser zweites Album "neues aus dem Kellerloch" taufen...

In den folgenden Jahren tüftelten wir fleissig an Songs, gaben Konzerte, probten unsere Songs da wir merkten dass unsere Auftritte beschissen klangen, gaben erneut Konzerte, nahmen unsere tatsächlich geübten Songs auf Platte auf, versuchten diese zu verkaufen, und und und.

Die Highlights dieser ganzen Geschichte sind nicht zahlreich, aber umso prägender für unser ganzes musikalisches Dasein:

- Das erste Konzert inkl. Live-Mitschnitt am 10.09.2005 im Jugendzentrum Siggenthal, mit rund 40 Anwesenden
- Ein Gig auf der Ladefläche eines Pick-Up Truck durch die Lenzburger Altstadt.. während das Ding fuhr!
- Die zweite Platzierung am KiFF-Bandcontest
- Die erste Albumtaufe mit "Normahl" an Weihnachten 2007 vor ca. 470 Leuten im KiFF in Aarau
- Die erste Tournee 2009 nach Deutschland und Dänemark
- Plattentaufe Nr. 2 im Januar 2010 im KiFF
- Die zweite Tournee inkl. Auftritt in der Bundeshauptstadt im Jahr 2010
- Das Abschiedskonzert im Barracuda in Aarau vor ~30 unserer treuesten Anhänger, inkl. Sound- und Videomitschnitt (folgt noch)

Was uns dabei vor allem in Erinnerung bleibt, sind spezielle Momente die wohl die wenigsten in solcher oder ähnlicher Form jemals erleben durften. Das Gefühl vor fast 500 Leuten im KiFF zu stehen war schon der Wahnsinn, aber es ging sogar noch besser: beim Auftritt in Dänemark hatten wir keine Ahnung was uns erwarten würde. Wir wussten, dass wir in einer Art Jugendzentrum spielen, aber der genaue Rahmen war uns unbekannt. Dort angekommen sagte man uns, wo wir unser Equipment aufstellen sollen und wo wir nächtigen werden. Das Ganze hat sich spätestens dann komisch angefühlt, als ich mein Schlagzeug vor den neugierigen Augen jugendlicher, dänischer Cafébesucher aufgebaut hatte. Als wir dann gegen 9 Uhr alle auf der kleinen Bühne standen (in Dänemark ist es um diese Zeit noch hell wie am Tag), sassen vor uns einige Besucher auf Stühlen und in Sesseln, nippten an ihrem Getränk und hörten uns mal mehr und mal weniger aufmerksam zu. Wahrscheinlich lag das in erster Linie daran, dass all unsere Texte in deutsch verfasst sind und die Dänen natürlich bloss dem dänischen oder englischen mächtig sind. Somit ernteten wir in erster Linie ausdruckslose oder verwirrte Gesichter, gepaart mit verhaltenem Applaus nach den Songs. Noch nie kam es vor, dass wir auf der Bühne uns so viel mehr bewegten als das Publikum. Aber hey, in Dänemark ist alles möglich.
Es war jedenfalls hochgradig amüsant und nicht zuletzt deswegen einer der Auftritte, die uns für immer im Gedächtnis bleiben werden. Als kleine schweizer Punkrockband in Dänemark spielen war einfach der Wahnsinn!

Zudem waren unsere Tourneen immer gespickt mit kleineren Malheuren... wer kann schon ahnen, dass eine Baustelle auf der deutschen Autobahn die Spur plötzlich so abzweigt, dass man komplett wo anders hin fährt? Marius und ich tuckerten danach quer durch die Pampa, vorbei an lauschigen Dörfchen und Kleinstädten in Richtung Ziel, während Sam und PJ keine Ahnung hatten wo wir uns befinden. Hätte sich unser 'Tourbus' nicht zwischenzeitlich mal geweigert anzuspringen, ansprechend zu bremsen oder nicht plötzlich mitten auf einer passähnlichen Strasse den Motor abzuwürgen, so wären solche Zwischenfälle aber vielleicht sogar vertretbar gewesen.
Nicht aber, wenn man von der Grenzwache komplett kontrolliert und auseinander genommen wird, bloss weil man bei Überschreiten der Grenze stolz angibt, dass man "Punkrock" spielt.. Oder wie wärs wenn man an Orte fährt, an denen man spielen wollte, dann aber feststellt dass man sich dort höchstwahrscheinlich jede erdenkliche Krankheit einsammeln würde? Plus solche die noch gar nicht entdeckt wurden!?

Es gab viele lustige, absurde, peinliche oder nervtötende Situationen und es ist absolut unmöglich, sie alle aufzuzählen.
Am besten sieht man sich dazu einfach mal die Ansammlung von Videos an, die sich von und über uns auf Youtube finden -> http://www.youtube.com/results?search_query=sozi+brain&aq=0

All das gipfelte letztendlich aber im anfangs erwähnten letzten Konzert im Barracuda in Aarau.
Den Organisator dieser "Last Friday" Sessions kennen wir bereits seit unserem Podestplatz beim Bandcontest und er hatte sich seit jeher den ein oder anderen Auftritt von uns angesehen und uns stets viel Potential zugesprochen. Ihm war es dann auch zu verdanken, dass wir in seiner kleinen lauschigen Bar inkl. Kellergewölbe "Lebe wohl" sagen durften, bei einem Konzert zu dem jeder kommen konnte ohne Eintritt zu bezahlen.
Bereits am Vorabend sammelten wir uns in unserem (zwischenzeitlich nach Gretzenbach neben einen Buddhisten-Tempel verlegten) Proberaum, luden die Instrumente in unseren uralten VW Sharan und tuckerten nach Aarau.
Als wir das Lokal erstmals in Augenschein nahmen, war der erste Gedanke "jo.. cool.. das wird, öhm, eng". Das Kellergewölbe war lediglich geschätzte 25-30 qm gross mit einer etwas niederen Decke, ohne eigentliche Bühne. Heisst, wir waren auf Augenhöbe mit dem Publikum.. zumindest abgesehen von mir. Da ich als Schlagzeuger im sitzen spiele, konnten mal wieder alle auf mich herabsehen. Es war sehr herablassend.
Am Freitag hatte sich jedoch bereits gegen 20:30 Uhr jede menge Volk versammelt, welches sich unser letztes Konzert ansehen wollte. Uns stellte sich natürlich die Frage, wie die alle Platz finden sollten.. Die Antwort war simpel: durch quetschen. Als wir um 22:00 zur "Bühne" spazierten und uns die Meute auf dem Fusse folgte, füllte sich der Keller mehr und mehr und irgendwie hatte man bloss noch eine Wand aus Menschen vor sich.
Bereits als wir unser Set mit der Akkustikversion des "Baby namens Menschheit" eröffneten, wurde lautstark mitgesungen und so ging es beinahe während dem ganzen Konzert weiter - wäre da nicht der Unterbruch durch PJ gewesen, dessen Batterie im Bass plötzlich keinen Saft mehr spenden wollte... Das Publikum strömte nach draussen um zu rauchen oder sonst was zu tun und kam erst nach langem Zurufen und Zerren wieder hinein. Wahrscheinlich wollten sie einfach nicht mehr und fühlten sich genötigt - das wär zumindest mein erster Verdacht. Und womöglich stand draussen jemand mit einer Shotgun und hat sie gewaltsam wieder die Treppe runter gepfercht. Aber das sind alles nur vage Vermutungen!
Jedenfalls ging es ein paar Minuten später weiter mit unserem Programm aus strengstens ausgewählten Songs, von denen ca. die Hälfte eigentlich gar nicht zu den Publikumslieblingen gehört hatte, und wir näherten uns langsam aber sicher dem Ende und somit dem allerletzten Live-Song von "Sozi Brain". Noch einmal verlangte man Zugaben, wollte uns nicht gehen lassen, wollte noch mehr Schweiss und Biergeruch in diesem viel zu kleinen Keller verteilen - doch wir blieben standhaft. Mit einem letzten "Nicht mein Gott" ohne PJ, dessen Bass mittlerweile definitiv nicht mehr wollte, verabschiedeten wir uns lautstark und wünschten allen eine gute Nacht, auf wiedersehen und was so alles dazu gehört.
Letztendlich verhökerten wir selbst unsere CDs und Shirts zu spottpreisen und wurden kaum welche los, was absolut für den Erfolg unserer Band spricht...

Woran scheiterte es aber letztendlich? An vielen Faktoren. Zum einen sicherlich daran, dass wir immer erst Konzerte gespielt und dann mit den bereits bekannten Songs ins Studio gegangen sind. Wer kauft schon eine Platte, die er bereits in- und auswendig kennt? Zum anderen eine Werbestrategie die nicht aggressiv genug war, was allerdings mit den unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Band zu tun hatte. Der eine wollte Facebook, Myspace usw. wie verrückt pushen, ein anderer sträubte sich dagegen weil es zu aufdringlich wirken könnte und man dadurch die treuen, alteingesessenen Fans verliert, andere wollten einfach nicht so viel Zeit und Mühe in die Band investieren wie es andere taten.
Der Hauptgrund war aber der Stillstand. Wir waren an einem Punkt angelangt, bei dem bis auf eine Person kaum noch jemand die Musse hatte, neue Songs zu schreiben und etwas in das Projekt zu investieren. Nichts ging mehr voran, wir kauten seit Wochen auf den selben Riffs rum und es war kein Ende mehr in Sicht. Es ist schade, aber eine logische Konsequenz all dessen was sich in den letzten 1-2 Jahren bei uns allen entwickelt hat. Geschmäcker haben sich verändert, Familien- und Jobsituationen haben sich geändert und nicht zuletzt wurden wir alle entschieden älter.

Es war eine schöne Zeit, eine unvergessliche Zeit und auch eine lehrreiche Zeit. Wir alle konnten vieles mitnehmen aus dieser Phase und hoffen, dass wir uns alle eines Tages wieder sehen - am liebsten im Publikum während einer von uns auf der Bühne steht und dem nachgeht was er am liebsten tut: musizieren. Ich für meinen Teil wechsle in den Death Metal und benötige dazu bloss noch einen zweiten Gitarristen und einen fähigen Sänger.

Wer bis dahin nochmals in Erinnerungen an die Brains schwelgen möchte, der folgt einfach diesen Links und wartet auf die Veröffentlichung der letzten Live-Mitschnitte:

- http://www.youtube.com/results?search_query=sozi+brain&aq=f
- http://www.sozibrain.ch
- http://www.myspace.com/sozibrain