Freitag, 30. März 2012
"The Woman in Black" Filmkritik



Das Genre der klassischen Gruselfilme ist eigendlich bereits seit Jahren scheintot und führt lediglich noch ein Nischendasein. Titel wie Paranormal Activity oder The Blair Witch Project konnten zwar überraschend hohe Erfolge verbuchen, sich jedoch trotzdem nicht mit Klassikern wie der Poltergeist-Reihe messen. Dabei sind es gerade solche Streifen, welche die höhere Kunst des Grusels zeigen, ohne auf den blanken Horror zu setzen. So auch bei The Woman in Black, der fast komplett ohne Blut und Leichen auskommt. Kann der Film trotzdem für eine wohlige Gänsehaut sorgen?


Story
Arthur Kipps (Daniel Radcliffe) lebt als junger, verwitweter Anwalt im London des frühen 20. Jahrhunderts. Seine letzten Fälle waren nicht grade sehr erfolgreich und er steht kurz vor seiner Entlassung; erhält von seinem Chef jedoch nochmals die Chance, die Kurve zu kriegen. Er soll in ein verschlafenes Dörfchen im Norden Englands reisen um dort die Hinterlassenschaft einer gewissen Alice Drablow zu regeln. Der dortige Notar übergibt ihm die Papiere und rät ihm an, wieder nach Hause zu fahren - von einem Besuch des alten Herrenhauses der Drablows wird ihm zwar zwingend abgeraten, widerstehen kann der Hauptstädter aber natürlich nicht.
Der erste Besuch in dem alten Gemäuer verläuft friedlich und ohne grosse Zwischenfälle, bis auf die Erscheinung einer komplett in schwarz gekleideten Frau. Als später im Dorf auch noch ein junges Mädchen in seinen armen Stirbt, entschliesst sich Arthur Kipps, noch eine Weile im Dorf zu bleiben und die Zeit zu nutzen, um das Haus ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.


-> Trailer bei Youtube


"The Woman in Black" ist ein ruhiger und klassischer Grusselfilm, dessen Spannung sich erst im Verlaufe der Handlung aufbaut. Leider ist diese jedoch ein wenig zu dünn geraten und kommt erst ab der zweiten Filmhälfte wieder vermehrt zum tragen, vermag es jedoch nicht, den Zuschauer stetig in den Sitz zu fesseln.
Ganz anders der eigentliche Star des Films: das Haus. Das alte Gemäuer versprüht einen ganz eigenen Charme und packt den Kinosaal bereits in der ersten Einstellung in einen dichten, atmosphärischen Nebel: Schwere, knarzende Holztüren, sich biegende Dielen, Staubwolken und eine allgegenwärtige Dunkelheit die nur von Kerzen durchbrochen wird. Diesem grossartigen Dekor steht das kleine Dörfchen in nichts nach und zeigt seine eigenwilligen Bewohner als sehr skeptisch und unaufgeschlossen.
Der Film lebt somit von seinen einzelnen Szenen, in denen sich dank einer tollen Kulisse und guten Darstellern viel Atmosphäre und Spannung aufbauen kann. Zwar ist es anfangs befremdlich, Radcliffe als jungen Vater in einer anderen Rolle als Zauberschüler zu sehen, jedoch vergisst man das nach ein paar Minuten gerne wieder und lässt sich von seiner gekonnten Darstellung beeindrucken.


In technischer Hinsicht gibt es an der Frau in schwarz herzlich wenig auszusetzen: zwar ist das Bild kino- und leinwandbedingt stets relativ weich und teilweise ein wenig grobkörnig, bietet allerdings einen satten Schwarzwert und zieht aufgrund der gewählten Farb- und Stilmittel in den Bann dieses frühen 20. Jahrhunderts.
Akustisch gibt sich der Film weitgehend minimalistisch. Musik wird überraschend selten eingesetzt, während gekonnte Effekte eine dichte Soundkulisse aufbauen. So sind es nicht nur die zahlreichen Geräusche des Hauses, sondern auch die ruhigen Gespräche welche zu überzeugen vermögen. Nur wenige Umgebungsgeräusche sind neben den Dialogen zu hören und gerade deswegen erscheint das abgelegene Dorf noch um ein vielfaches gespenstischer.


Fazit
Alleine die Idee, einen Gruselfilm in diesem auserwählten Zeitalter anzusiedeln, spricht in meinen Augen für einen Geniestreich. Die Gegenwart oder die 70er wurden bereits zu Genüge thematisiert, weshalb dieser Umschwung mehr als positiv ist. Die Atmosphäre die sich von Vorneweg einstellt, ist vorbildlich und die darstellerische Leistung überzeugend. Und doch hat der Film seine Mankos wie beispielsweise die leicht einfallslose und zu wenig tragende Geschichte. Anfangs weckt sie Neugier, später ist sie kaum erkennbar und zuletzt kann man die Auflösung erahnen - wie auch den ein oder anderen Schockeffekt. Langjährige Horrorfans werden die meisten davon früh erkennen - nur um dann plötzlich doch zusammenzuzucken wenn etwas unerwartetes auftaucht oder geschieht. Es sind diese Momente, die aus The Woman in Black einen soliden, wenn nicht sogar guten Gruselfilm machen: die stete, wohlige Gänsehaut gepaart mit einigen nervenzerreisend-spannenden Szenen und dem ein oder anderen Schocker dürften Grund genug sein, sich den Kinoeintritt zu leisten. Nur leider wird dieses Kleinod in unseren Breitengraden wohl eher ein Geheimtipp bleiben. Es steht eben nicht "Saw 9" auf dem Plakat...

-> 7.5/10 Gesamtpunkte