Der Titel
„Saw“ war 2004 in aller Munde, als der Kurzfilm von Regisseur James Wan in einer verlängerten Version in die Kinos kam und quasi im Alleingang eine neue Art des Horrors einläutete – den „Torture Porn“. Knappe 1,2 Millionen USD und eine Drehzeit von lächerlichen 18 Tagen reichten James Wan und seinem Team damals, um den Film zu realisieren, Zahlen die selbst Wan heute nicht mehr zufrieden stellen können. Denn bereits kurz nach
„Saw“ war er ein gefragter Mann und wurde für grössere Projekte angeheuert, blieb aber bis auf eine Ausnahme (
“Death Sentence“) stets dem Horrorgenre treu.
Vor kurzem hielt sein neuestes Werk
“The Conjuring“ Einzug in die deutschsprachigen Lichtspielhäuser, nachdem der Film bereits nach nur 1 Woche in den Staaten zum neuen Publikumsmagneten lanciert ist.
Ist dies nun also der Beweis dafür, dass der US-Amerikaner auch anders kann, als nur Menschen sterben zu lassen?
Story
Für die Perrons erfüllt sich ein Traum, als sie endlich in ihr eigenes Landhaus umziehen können. Ein grossräumiges Anwesen, direkt am See mit viel Umschwung. Perfekt also für die 7-köpfige Familie, umso mehr, da sie das Haus zum Schnäppchenpreis erstanden haben ohne auch nur einen Haken an der Sache zu finden.
Doch bereits am Tag des Einzugs entdecken die Kinder beim spielen zufällig einen Zugang zum Keller – der merkwürdigerweise zugenagelt wurde und in dem sich eine Menge Gerümpel befindet. Man freut sich natürlich über den zusätzlichen Stauraum, ohne sich grossartig darüber Gedanken zu machen. Auch als Carolyn am nächsten Morgen mit blauen Flecken erwacht, denkt sie sich noch nichts dabei. Erst als sie beim Blick auf die Uhr feststellt, dass sämtliche Zeiger nachts um kurz nach drei stehengeblieben sind, kommen erste Zweifel auf, ob in diesem Haus alles mit rechten Dingen zugeht.
Daraufhin häufen sich die Ereignisse: Tochter Cindy fängt erneut an zu schlafwandeln, Bilderrahmen fallen plötzlich zu Boden und spätestens als Mutter Carolyn eines Nachts wie von Geisterhand im Keller eingesperrt wird, macht sich Angst breit.
In ihrer Verzweiflung wendet sich Carolyn an Ed und Lorraine Warren, ihrerseits Spezialisten bei der Untersuchung paranormaler Phänomene. Die beiden beschliessen, der Familie zu helfen – ohne dabei zu ahnen, dass dies einer ihrer schlimmsten Fälle wird…
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Trailer bei Youtube
Bereits im Vorfeld wurde der Film grossspurig damit beworben, dass es sich bei den Ereignissen von
“The Conjuring“ um tatsächliche Vorfälle handelt. Was genau davon wie und warum wirklich geschehen ist, ist nicht belegt, wohl aber dass die Charaktere von Ed und Lorraine Warren auf einem gleichnamigen Paar basieren, welches vor allem in den 70er Jahren zahlreiche Untersuchungen übernatürlicher Art angestellt und dabei unter anderem das berüchtigte Amityville Haus besucht hat.
Das bewahrt den Film natürlich nicht davor, vom Grossteil des Publikums als Fiktion angesehen zu werden, gibt dem Ganzen aber dennoch einen etwas anderen Anstrich. Zusammen mit den Stilmitteln denen sich James Wan bedient hat, ergibt das im Endeffekt einen oftmals sogar dokumentarischen Touch, was nicht zuletzt für einiges an Atmosphäre sorgt.
In erster Linie ist es aber das gelungene Setting der frühen 70er Jahre, welches gekonnt eingefangen wurde. Die schon beinahe antiken Elektronikgeräte, die Möblierung und Outfits der Protagonisten wirken sehr natürlich und lassen eine vergessene Zeit mit Leichtigkeit wieder aufleben.
Es ist klar ersichtlich, dass Wan ein grösseres Budget zur Verfügung stand, welches er auch ausnutzt. Der Cast wurde sorgfältig ausgewählt und selbst die Kinder stellen keinen Störfaktor im sonst stimmigen Umfeld dar. Jedoch gelingt es einzig Vera Farmiga (
“Das Waisenhaus“,
“Orphan) erneut, wirklich hervorzustechen.
Die Story selbst indes ist nicht das, was bei diesem Film wirklich bei der Stange hält. Einiges ist vorhersehbar und bedient sich an diversen Genreklassikern, wie
“The Exorcist“ oder
“Poltergeist“. Da man im Zweifelsfalle aber besser gut klaut statt schlecht neu erfindet, ist dieser Umstand halb so schlimm – die Spannung generiert der Film nämlich durch sein gelungenes Zusammenspiel aus Ton und Bild sowie dem Umstand, dass gerade zu Beginn des Films nicht ganz klar ist, was hier genau vor sich geht.
Bild & Sound
Optisch gelingt es
“The Conjuring“ erstaunlich gut, das Feeling der 70er in die Gegenwart zu transportieren. Der Grundton ist in eher blassem sepia gehalten und nur selten streuen sich knallige Farben in das Gesamtbild. Genretypisch spielt James Wan auch gerne mit einem satten Schwarzwert, der meist nur (gewollt) erahnen lässt, was sich da im Dunkel verbirgt.
Zusätzlich sorgen die Kameraeinstellungen und – fahrten für das anfangs erwähnte, dokumentarische Gefühl, da viel in Totalen gearbeitet wird und Close-Ups sowie Nahaufnahmen nur als gezielte Stilmittel eingesetzt werden. Man fühlt sich selten mitten in das Geschehen hinein versetzt, sondern eher als stiller Beobachter des Ganzen.
Auch der Sound trägt viel zur allgegenwärtigen Atmosphäre bei. Während zu Beginn mit beschwingter Musik das Gefühl der 70er Jahre vermittelt wird, untermalt man die Bilder später mit bedrohlichen Streichern oder lässt den Score gar komplett weg.
Das kennt man zwar bereits von diversen anderen Genrevertretern, schmälert die erzielte Bedrohlichkeit jedoch nicht im geringsten.
Fazit
“The Conjuring“ beginnt erst mit Anleihen am grossartigen
“Poltergeist“, mit Uhren die verrückt spielen, Türen die sich urplötzlich schliessen und dem sanften aber stetigen in die Irre führen der Familie Perron. Später nimmt das Unheimliche immer weiter seinen Lauf und gipfelt in der zweiten Hälfte des Films, als sich die Ereignisse überschlagen.
Leider driftet das Ende zu sehr in das Schema eines typischen Exorzismus-Films ab und bietet damit keinerlei Überraschungen mehr. Wer sich bis zu jenem Zeitpunkt jedoch auf die gelungene Atmosphäre einlässt, erlebt einen durchaus unterhaltsamen, aber nicht ganz ausgereiften Gruselstreifen – bei dem es ausnahmsweise keinerlei Tote zu beklagen gibt.
-> 6.5/10 Gesamtpunkte