Dienstag, 14. Oktober 2014
"Annabelle" Filmkritik



Nach dem unerwartet sensationellen Erfolg von „The Conjuring“ war es lediglich eine Frage der Zeit, bis man einen weiteren Ableger ins Rennen wirft. Während sich Regisseur James Wan bereits um den offiziellen zweiten Teil kümmert, hat er seinen Kameramann und Schützling John R. Leonetti damit beauftragt, ein Prequel zu drehen. Dieses trägt den Titel “Annabelle" und behandelt die namensgebende Puppe, die bereits im Original zu sehen war – in einer verschlossenen Vitrine die auf keinen Fall geöffnet werden darf. Doch warum hat man die Puppe weggesperrt? Ist ihr beherrschender Dämon wirklich um so vieles schlimmer als alle anderen?


Story
Mia und John Gordon erfreuen sich eines friedlichen Lebens in einem typischen US-Amerikanischen Vorort. Sie gehen jeden Sonntag zur Kirche, besitzen ein kleines Häuschen und Johns Doktortitel ist ebenso in Aussicht wie der Familienzuwachs in Form einer kleinen Tochter.
Um das Glück perfekt zu machen macht John seiner Frau ein ganz besonderes Geschenk: schon lange war Mia auf der Suche nach einer einzigartigen, hölzernen Puppe, die nun endlich ihr Regal ziert und die Sammlung somit komplettiert. Noch in der selben Nacht werden ihre Nachbarn von einer okkulten Sekte brutal niedergestochen und Mia selbst beim selben Vorfall leicht verletzt. Wieso sich einer der beiden Täter beim Überfall sogleich Mias neue Lieblingspuppe geschnappt hat, bleibt vorerst ebenso unklar wie die sich fortan überschlagenden Ereignisse – Türen schliessen sich wie von Geisterhand, Nähmaschinen knattern mitten in der Nacht los und nichts scheint mehr so wie es war. Doch was hat das alles mit dieser Puppe zu tun?


-> Trailer bei Youtube


Ein wenig anders konstruiert hätte die Origin-Story von “Annabelle einen ordentlichen Aufhänger für einen anständigen Streifen hergegeben, in der finalen Form erfährt man jedoch nur wenig mehr über die geheimnisvolle Puppe und deren dämonischen Besitzer. Hinzu kommt, dass keines der neugewonnenen Details auch nur ansatzweise neu ist, oder dem verfluchten Gegenstand neue Facetten verleihen kann. Dies liegt in erster Linie am komplett uninspirierten Drehbuch, welches sich auf keinerlei Experimente einlässt sondern lediglich Versatzstücke aus anderen Filmen weiterverarbeitet, bzw. verwurstet.
Das ist umso mehr schade, da die schauspielerische Leistung des unbekannten Cast wirklich nicht schlecht ist und man mit deren Präsenz vor der Kamera durchaus hätte arbeiten können. Doch wenn selbst Nonames vom Script völlig unterfordert scheinen, dann läuft in der Produktion definitiv etwas falsch.


Bild & Ton
Das Grundbild von “Annabelle zeigt sich in leicht untersaturierten, aber dennoch natürlichen Farben. So sind auch die heller ausgeleuchteten Szenen nur selten wirklich kräftig, wirken dank den gelungenen Kontrasten aber trotzdem erfreulich homogen. Vom Schwarzwert lässt sich leider nicht das selbe behaupten. Dieser ist zwar tiefschwarz, verschluckt dabei aber dermassen viele Details dass es überaus schwer fällt, im Dunkel überhaupt etwas zu erkennen. Natürlich ist das ein beliebtes Stilmittel bei Horrorfilmen, allerdings ist dessen Wirkung ungleich besser wenn man trotz allem genügend erkennen kann um überhaupt so etwas wie Gänsehaut zu entwickeln.
Bildsprache und Kamerafahrten beherrscht Regisseur Leonetti bereits durch seine Mitarbeit bei „The Conjuring“ sowie „Insidious“ - was auch der Grund sein dürfte, weshalb sich die Titel optisch leider ein wenig zu sehr ähneln. So arbeitet er Kameramann in seinem Regiedebut fast durchweg mit beinahe den selben Einstellungen, Nahaufnahmen und Totalen wie wir sie bereits aus vorherigen Titeln kennen, was auch die eine oder andere Überraschung vorweg nimmt. So weiss der geneigte Horrorfan bereits von Anfang an, worauf er seine Augen richten muss um die Schockeffekte bereits zu erkennen bevor sie passieren. Das hemmt sowohl Spannung wie auch Dramatik und lässt die eigentlich solide Arbeit weitaus langweiliger und generischer erscheinen als sie eigentlich ist.
Auch das Sounddesign ist lediglich durchschnittlich und bedient sich klassischer Elemente wie dem Streicherstakkato, knarzenden Türen, trampelnden Schritten oder einem akzentuiert eingesetzten lauten Knall. Wenn man sich nur selten Horrorfilme ansieht geht das natürlich völlig in Ordnung, verliert allerdings bei Kennern seine Wirkung komplett. Immerhin ist die Abmischung ordentlich, Dialoge klar verständlich und der Score erfreulich voluminös.


Fazit
Auch „The Conjuring“ war bei weitem kein Meilenstein im Horrorgenre, konnte aber dennoch so manchen Zuschauer für sich gewinnen. Atmosphäre und Cast waren überdurchschnittlich gut, die Story ging in Ordnung und die handwerkliche Umsetzung war gelungen – wie bei James Wan nicht anders zu erwarten. So gab es auch den ein oder anderen der von der mysteriösen Puppe namens Annabelle fasziniert war und gerne ein wenig mehr über sie erfahren hätte. Die Idee, daraus einen eigenen Film zu drehen mag vielleicht etwas weit hergeholt sein, hätte jedoch tatsächlich funktionieren können. In seiner finalen Form jedoch bedient sich “Annabelle schamlos aus unzähligen Genrevertretern – das wäre an sich nur halb so wild, wenn es denn immerhin ordentlich gemacht wäre.
Doch egal welchen Punkt man näher beleuchtet, man kommt nicht drum herum, diesen aktuellen Ableger als generisch, uninspiriert und langweilig zu bezeichnen. So ist es nicht nur die lahme Story die man in ähnlicher Form schon gesehen hat, sondern vor allem der kaum vorhandene Spannungsbogen, der sich nicht einmal bemüht, auch nur ein einzelnes Klischee auszulassen. Gegenstände die sich von selbst bewegen kennt man bereits seit 40 Jahren, wurden aber schon weitaus besser und interessanter in Szene gesetzt. Die Jumpscares sind ebenso altbekannt und vorhersehbar wie die einsetzende Musik und die Soundeffekte. Kameramann Leonetti schafft es genau ein mal während einer längeren Szene so etwas wie Spannung und Intensität aufzubauen, fährt diese Prämisse aber gegen Ende eben jener Szene wieder mit Vollgas gegen die Wand indem er dem Kinosaal seinen Dämon präsentiert, welcher nicht nur frappierend an „Insidious“ erinnert, sondern in seinem Design auch derart lächerlich ist, dass der Film sofort jegliche Ernsthaftigkeit oder gar Bedrohlichkeit verliert. Spätestens hier verliert Leonetti das Interesse seiner Zuschauer komplett, stolpert über seine eigenen Füsse und humpelt eher mitleiderregend über die Ziellinie.
Schlechte oder durchschnittliche Horrorfilme gibt es wie Sand am Meer, gute oder gar sehr gute finden sich nur höchst selten und werden dementsprechend mit offenen Armen empfangen. “Annabelle indes ist einfach nur dermassen langweilig dass man es kaum in Worte fassen kann. Selbst wer hier auf die Verleih- oder TV-Version wartet, sollte sich besser zwei mal überlegen, ob er die 100 Minuten nicht lieber dafür nutzt, dem Gras beim wachsen zuzusehen. Oder mal wieder seinen Teppich zu streicheln. Oder seine Memoiren auffrischen, den Nachbarn die eigene Lebensgeschichte erzählen, eine Packung Streichhölzer anzünden, Postleihzahlen auswendig lernen,…

-> 3/10 Punkte