Spieletest "Black Mirror II"
Die Cranberry Production Studios hatten es nicht leicht. Nachdem Future Games im Jahre 2004 mit dem ersten Teil von Black Mirror sozusagen im Alleingang dem totgeglaubten Genre der Adventures neues Leben eingehaucht haben, wollte man mit einem neuen Entwickler an diesen Erfolg anknüpfen. Das Vorhaben ist zu weiten Teilen gelungen, hat jedoch auch mit Schwächen zu Kämpfen. Aber worum geht es denn nun?
Story
Black Mirror 2 beginnt im überschaubaren kleinen Küstenstädtchen Biddeford, im US-Staat Maine, Neu England. Der junge Student Darren Michaels ist in seinen Semesterferien zu seiner Mutter zurückgekehrt, welche ihm einen Job im örtlichen Fotoladen verschafft hat, um dort seine leeren Taschen mit etwas Geld zu füllen. Dass ihm das nur bedingt gefällt, liegt schon nach wenigen Spielminuten auf der Hand: in dem langweiligen Kaff gibt es nicht viel zu tun und sein Chef ist ein unfreundlicher, glatzköpfiger Fettsack, der Darren seichte Botenaufträge erteilt anstatt ihm das Handwerk eines Fotografen beizubringen. Und diese Botengänge sind es auch, die dem Spieler in erster Hand das Städtchen sowie NPCs und die ersten Rätsel näherbringen. Alles geht seinen langweilig-trüben Lauf, bis Darren auf die hübsche Geschichtsstudentin Angelina trifft. Nicht nur ist die junge Dame äusserst adrett, sie scheint sich auch noch sehr für ihn zu interessieren, macht ihm schöne Augen und bringt ihn somit das ein oder andere Mal in Verlegenheit oder gar unliebsame Situationen. Bald schon stellt sich heraus, dass Darrens Mutter nicht in den USA geboren wurde, sondern eigentlich aus England stammt. England? Klingelt da nicht irgendwas? Richtig: scheinbar hat Mutter Michaels Verbindungen zu dem Ort Black Mirror, ein Name den Darren noch nie zuvor gehört hat und ihm entgegen zum Spieler völlig unbekannt ist. Fortan beginnt der Student damit, sich über Willow Creek mitsamt dem Schloss Black Mirror schlau machen und seine Nachforschungen bringen ihn sogar soweit, Biddeford zu verlassen - bis er schlussendlich vor dem schweren Eisentor eines uralten Gemäuers steht... Bis man soweit ist, ist jedoch schon viel passiert und so manche Frage drängt sich auf: warum gerade Black Mirror? Wer ist diese Angelina? Was hat es mit der Familie Gordon auf sich? Und warum erscheint in dem langweiligen Biddeford doch nicht alles so ganz koscher?
Diese Dinge wird der Spieler im Verlauf der ca. 12 Stunden andauernden Geschichte herausfinden und dabei auch die eine oder andere überraschende Wendung erfahren. An Spannung fehlt es dem Mysteryadventure sicherlich nicht und von Anfang an nimmt einen das Spiel in seinen Bann, sofern man sich auch darauf einlässt alles zu erkunden und jedes Gespräch sorgsam mitzuverfolgen. Entwarnung darf jedoch auch gegeben werden: Vorkenntnisse des ersten Teils sind für Black Mirror 2 nicht nötig, das Spiel funktioniert auch alleine sehr gut. Jedoch werden Kenner mit einigen bekannten Szenen, Charakteren und Geschichten konfrontiert, welche offenstehende Fragen beantworten und für manche "Aha!"-Effekte sorgen.
Gameplay
Black Mirror 2 gibt sich von vorne weg als klassisches Adventure der alten Schule. Wer bereits den Vorgänger oder andere Genrebeispiele genossen hat, fühlt sich sofort heimisch. Das Inventar wird auf Wunsch am unteren Bildrand eingeblendet, in der rechten oberen Ecke finden sich Spielmenü sowie Darrens Tagebuch. Letzteres ist eine Art Gedankenstütze für den Spieler, da alle anfallenden Aufgaben akribisch notiert und nach Erledigung durchgestrichen werden. Auf diese Weise verliert man nie den Überblick darüber was eigentlich zu tun ist, und kann sich auf Wunsch sogar mit Hinweisen und Lösungshilfen bedienen lassen. Wer dieser Versuchung ganz widerstehen möchte, darf das Feature aber auch per Optionsmenü ausschalten - sehr vorbildlich. Selbstverständlich fehlt auch die optionale Hotspotanzeige nicht, welche auf Knopfdruck alle interaktiven Objekte und Ausgänge sichtbar macht. Darren bewegt sich genau wie die Helden anderer Adventures per einfachem Mausklick durch die gerenderten 2D Hintergründe. Ist ein Objekt etwas weiter entfernt, legt er einen kurzen Spurt hin um schneller am Ziel zu sein, ansonsten lässt er sich gerne ein wenig Zeit und schlendert ohne Hast zur gewünschten Stelle. Szenenausgänge lassen sich bequem per Doppelklick abkürzen und auch einzelne Dialogzeilen können übersprungen werden sobald man sie gelesen hat. Somit werden auch ungedulgige Spieler nicht vergessen, die sich einzig und allein den Rätseln widmen wollen. Diese wiederum sind zum Grossteil ausgesprochen gut gelungen und setzen sich aus klassischen Inventar- und Objekträtseln zusammen. So gilt es zumeist, Gegenstände einzusammeln, miteinander zu Kombinieren und/oder in der Spielwelt einzusetzen. Aufgaben die sich nur durch das Führen eines Gesprächs erledigen lassen, wurden kaum eingebaut, hingegen trifft man auf das ein oder andere Schiebe- und Schalterpuzzle. Da werden zerrissene Briefe zusammengesetzt, ein chaotisches Schiebebild wird zu einer Kirche oder Schalter wollen in der richtigen Reihenfolge gedrückt werden um beispielsweise Türen zu öffnen. Wer sich mit dieser Art von Knobelei nicht anfreunden kann, darf das nervige Herumprobieren nach einigen Versuchen aber auch per Knopfdruck abbrechen und das Rätsel wird vom Spiel selbständig gelöst. Dies ist zwar sehr angenehm, bringt aber leider den Nachteil, dass diese Aufgaben nicht in der Bonussektion landen - dort finden sich nämlich nebst Screenshots und Artworks auch besagte Puzzles welche man erneut lösen darf, sofern man sie im Laufe des Spiels auf eigene Faust erledigt hat.
Mit all den zuschaltbaren Lösungshilfen gestaltet sich Black Mirror 2 sehr fair und zu keiner Zeit zu schwer. Somit kommen Neulinge voll auf ihre Kosten, aber auch Fortgeschrittene werden immer wieder gefordert, sofern sie nicht auf die Hilfen zugreifen wollen. Frustrierend ist das Adventure also nie, sogar falls Darren durch einen unglücklichen Zufall das zeitliche Segnet. Das Spiel legt nämlich vor solchen Situationen einen automatischen Speicherstand an und man darf sich ohne Umschweife noch einmal an besagter Stelle versuchen. Im Grossen und Ganzen darf man den Entwicklern also zu ihrem Rätseldesign gratulieren, da sie einen perfekten Spagat hingelegt haben.
Grafik
Rein optisch hat sich das Spiel im Vergleich zum Vorgänger um einiges weiterentwickelt. Die noch immer in 2D gerenderten Hintergründe strotzen nur so vor Details sowie stimmiger Beleuchtung, sie sind nur leider zuweilen etwas statisch. Zwar ist der prasselnde Regen gekonnt in Szene gesetzt, aber ansonsten gibt es nur wenig animierte Objekte zu beobachten. Die wehenden Bäume im Wind, ein paar durchs Bild flatternde Vögel oder in den Angeln quietschende Aushängeschilder in Willow Creek sind Beispiele hierfür, leiden jedoch alle unter dem selben Manko: sie verwischen unscharf und ihre Animationen sehen ein wenig abgehackt aus. Stellt sich die Frage, ob die Entwickler dabei überfordert waren - letztendlich aber wirken sie leider etwas aufgesetzt und wollen sich nicht so recht in die ansonsten wunderschönen Hintergründe einfügen. Das Dörfchen Willow Creek wurde beispielsweise um einige Gebäude erweitert, Biddeford erstrahlt im Licht der tiefen Herbstsonne und das Schloss Black Mirror hat dank unbändigem Gewitter mitsamt Blitz und Donner nie besser ausgesehen, weder von innen noch von aussen. Vor diesen meist beeindruckenden Hintergründen bewegen sich komplett animierte 3D Figuren, welchen dank aufwändigem Motion Capturing einiges an Leben eingehaucht wurde. Wenn Darren vor einem umstürzenden Bretterhaufen in Sicherheit springt, wirkt das durchaus realistisch und auch die Gestik und Mimik in den Gesprächen überzeugt beinahe vollends. Einzig an der Lippensynchronität und an Darrens Laufanimation hätten die Entwickler noch ein wenig feilen dürfen, diese sieht zuweilen eher unfreiwillig komisch aus, auch wenn man sich sichtlich viel Mühe gegeben hat.
Sound
In Punkto Akkustik trumpft Black Mirror 2 so richtig auf. Wie bereits der Vorgänger bewiesen hat, lebt ein Adventure in erster Linie auch von gut vertonten Dialogen und hier liegt die wahre Stärke des Spiels. Man konnte erneut viele bekannte Sprecher aus Film und Fernsehen verpflichten, die sich mit viel Hingabe den einzelnen Dialogzeilen widmeten, was man auch bei jedem Satz erneut zu hören kriegt. Selten zuvor wurde in einem Adventure auf einem solch hohen Niveau gesprochen - jede Betonung, jeder Satz, jedes einzelne Wort klingt sehr professionell und es ist eine wahre Freude den vielen Gesprächen zu lauschen welche das Spiel zu bieten hat. Die musikalische Untermalung steht dem in keiner Weise nach. Dezent werden ruhige sowie dramatische Kompositionen eingesetzt um die einzelnen Szenen perfekt zu untermalen. Nie wird man mit unpassender oder aufgesetzt wirkender Musik gequält oder aus dem Spiel gerissen - Grafik und Sound geben sich hier die Klinke in die Hand und vermischen sich zu einem atmosphärischen Ganzen.
Pro
- Detailliert gerenderte Hintergründe
- toll ausgearbeitete Charaktere
- Hervorragende Vertonung
- gelungene Kombinationsrätsel
- zuschaltbare, optionale Lösungshilfen
- Tagebuchfunktion
- spannende, gut inszenierte Story
- Spieldauer von 12-15 Stunden
Contra
- sehr viele Schiebe- und Schalterrätsel
- Auflösung der Geschichte zu konventionell
- sehr statische Spielwelt
Fazit
Black Mirror 2 zu spielen war nicht immer leicht. Der geniale Vorgänger hat viele Erwartungen geschürt, die zum Grossteil erfüllt werden konnten, in manchen Punkten jedoch möglicherweise zu hoch waren. Darren passt als Hauptcharakter ziemlich gut in die Story und ist ein typischer junger Mann anfangs 20: launisch, rebellisch und gern auch mal frech oder obszön. Das gefällt sicherlich nicht jedem, ich für meinen Teil fand diese Art des Helden sympathisch und erfrischend anders. Durch die Bank weg überzeugt haben mich die Dialoge und auch die klassischen Rätsel habe ich mit Freude gelöst. Lediglich mit den sehr häufig auftretenden Schiebe- und Schalterpuzzles konnte ich mich nicht so recht anfreunden, was aber dank der zuschaltbaren Hilfe ansich kein Problem darstellte. Letztendlich hat mir Black Mirror 2 dank der Dialoge, Charaktere, Schauplätze und fairen Rätsel sehr gut gefallen und auch die sehr gelungene Atmosphäre hat ihren Teil dazu beigetragen, den Kauf nicht zu bereuen. Die Spannend erzählte Geschichte konnte mich von Anfang an in ihren Bann ziehen und hat mich bis zum Finale nicht mehr losgelassen - welches leider jedoch ein wenig zu aprupt, zu spannungsarm und zu konventionell ausfiel. Diese Kritik musste sich aber schon der ebenfalls sehr gute Vorgänger gefallen lassen und wer sich damit anfreunden kann, erlebt ein sehr gut inszeniertes Mysteryadventure mit vielen überraschenden Wendungen, guten Rätseln, tollen Charakteren und nur sehr wenigen Schwächen. Wenn also ein spannendes und faires Spielerlebnis im Vordergrund steht, ist Black Mirror 2 sicherlich eine gute Wahl und darf ruhigen Gewissens unter dem Weihnachtsbaum landen.
Grafik: 88%
Sound: 92%
Steuerung: 90%
Rätsel: 86%
Atmosphäre: 90%
Gesamtwertung: 88%
lendenzorn am 13. August 10
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