Ein Prolog als Testmuster
Das Klicken seines Revolvers war wohl das letzte Geräusch welches Marcus in diesem Augenblick hören wollte. Und auch das zweite sowie dritte wiederholte Betätigen des Abzugs bestätigte ihm bloss, dass die Patronenkammern alle leer waren. Kalter Angstschweiss tropfte ihm von der Stirn und in die Augen, vernebelte seine Sicht. Doch er war zu sehr damit beschäftigt in Richtung der Metallklappe zu blicken, die er soeben hinter sich geschlossen hatte. Er zitterte am ganzen Körper und das Atmen fiel ihm schwer. Lag es an diesem Schacht oder hatten sich seine Lungen in dieser kurzen Zeit bereits mit Staub gefüllt?
Starr vor Angst lag er noch immer da, die Klappe im Blickfeld. Die Stille in den letzten Minuten machte es auch nicht besser und es kam ihm bereits wie eine halbe Ewigkeit vor, in der er nur darauf wartete dass irgend etwas passieren würde. Langsam mässigte sich sein Puls wieder und er begann, das kalte Metall unter seinen Fingern zu spüren. Nach und nach wurde er wieder Herr seiner Sinne, versuchte bewusst langsam und tief zu atmen, sah sich aufmerksam um und begann zu realisieren wo er sich überhaupt befand. Er drehte seinen Kopf um zu erkennen was hinter seinem Rücken war, sah jedoch nichts ausser Dunkelheit die zunahm, je grösser der Abstand zur Einstiegsluke und den ringsherum angebrachten Luftschlitzen wurde.
Mit Mühe drehte er seinen Körper auf die linke Seite und kramte mit der rechten Hand in seiner Hosentasche. Irgendwo musste es doch sein, dachte er sich, bevor seine Finger den gewünschten Gegenstand erfassen und herausziehen konnten. Mit dem vertrauten Schnappgeräusch spickte er die Verschlusskappe seines Benzinfeuerzeugs zurück und entzündete die Flamme. Der Schatten unmittelbar vor ihm zog sich ein wenig zurück und gab einen schwachen Ausblick darauf, was nun für eine unbekannte Strecke folgen würde: eine kräfteraubende Reise auf allen Vieren, quer durch einen Lüftungsschacht. Seufzend machte er sich daran, die ersten Meter zurückzulegen, als sich ein Schatten vor die Lüftungsschlitze hinter ihm schob. Da war es wieder, dieses laute Schnauben voller Wut und Hass. Vor seinem geistigen Auge konnte er förmlich sehen wie sich der Brustkorb dieses Wesens um Zentimeter dehnte und wieder zusammensackte, während es mit seiner Schnauze an den kleinen Schlitzen neben der Abdeckung schnupperte. Marcus wusste noch immer nicht was ihn da verfolgte, aber es konnte ihn riechen. Es schien genau zu wissen wo er sich befand und nur wenige Augenblicke nachdem er sich endlich beruhigt hatte, fühlte er erneut die Angst in ihm aufkeimen. Wieder drang der Schweiss aus den Poren und seine Adern füllten sich mit Adrenalin. Längst wollte er weiterkriechen, weg von diesem Ungetüm, doch irgendwas hinderte ihn daran und er starrte erneut in die Richtung aus der er gekommen war - als sich eine riesige, geweitete tiefschwarze Pupille vor einem der Lüftungsschlitze positionierte und Marcus direkt ansah. Ohne mit der Wimper zu zucken nahm der gewaltige Kopf der Kreatur ein wenig Abstand, nur um dann mit voller Wucht gegen die Klappe zu hämmern. Einmal, zweimal, dreimal - dieser nahende Tod wollte zu ihm und er erkannte dass dies nur eine Frage der Zeit war. Bereits hatten sich die Scharniere um wenige Milimeter gelockert und Staub rieselte durch den schwachen Lichtstrahl nahe der soeben entstandenen Spalte. Nun war es allerhöchste Zeit. Marcus versuchte seine Sinne soweit möglich zu sammeln und seinem Körper energisch den Befehl zu erteilen, endlich vorwärts zu kriechen. Das Feuerzeug in der rechten, legte er so die ersten Zentimeter zurück und ehe er sich versah, hatte er den Dreh raus und wurde langsam schneller. Er war grade einmal knappe 3 Meter von der wütenden Bestie entfernt, als der Schacht bereits erstmals links abbog. Er rückte seinen Körper zurecht um die Ecke zu passieren, als sein Blick wieder richtung Eingang fiel. Eine der zolldicken Krallen hatte sich durch die Metallplatte gebohrt und damit den weiteren weg für die Kreatur geebnet. Unaufhörlich stach sie mit ihren Krallen auf das immer grösser werdende Loch ein, bis alsbald ihre Schnauze hindurchpasste. Schnaubend und sabbernd vor Wut malträtierte sie das Metall immer weiter, bis Marcus sich endlich zum weiterkriechen aufraffen konnte. Allzu weit konnte der nächste Ausstieg nicht mehr entfernt sein, war doch bereits ein neuer Lichtschein am Ende des Tunnels erkennbar. Er kroch immer weiter darauf zu und durch die stetigen Schweissausbrüche sogen sich seine Kleider voll und wurden spürbar schwerer. Jede Bewegung schmerzte und kostete ihn unmengen an Kraft, doch das schwache Licht kam immer näher - als es ihm plötzlich eiskalt den Rücken runter lief. Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern krachte die einst rettende Metallklappe zu Boden und gab den Weg für die Bestie frei. Ihre Krallen kratzten auf dem dicken Aluminium des Schachtes und Marcus konnte ihr dumpfes Schnauben hören als sie sich Zentimeter für Zentimeter durch die Öffnung quetschte. Es gab kein Zurück mehr. Mit aller Kraft schob er sich vorwärts, in der Hoffnung, den nächsten Ausstieg früh genug zu erreichen. Und auch wenn es schwierig war in diesem hallenden Gefängnis akkustische Unterschiede wahrzunehmen, so wusste er, dass diese tödliche Kreatur immer näher kam. Er spürte es. Doch ihm blieb keine Zeit darüber nachzudenken. Just in diesem Augenblick wurde ihm bewusst dass er sich über einem Lüftungsgitter befand, das den Blick auf einen darunter liegenden Raum freigab. Er war zu spärlich beleuchtet als dass dessen Lichtschein bis in den Schacht hätte dringen können, aber nun sah er ihn klar vor sich. Vergebens versuchte er mit seinen verschwitzten Fingern die mit einem Kreuzschlitz versehenen Schrauben in den Ecken des Gitters zu lösen, während sich hinter ihm die vor Wut schäumende Schnauze des Ungeheuers um die Ecke zwängte, ehe das Biest ihn erneut im Blickfeld hatte. Laut knurrend kam sie Stück für Stück näher und Marcus sprach in Gedanken bereits sein letztes Gebet - obwohl er alles andere als ein gottesfürchtiger Mensch war. Um ihn herum begann der Schacht sich zu dehnen, das Gewicht von Opfer und Jäger war zu viel für die jahrealte Konstruktion, und gab schliesslich mit dem ächzenden Geräusch von reissendem Metall nach und liess Marcus wie einen Felsen zu Boden stürzen.
Da lag er nun, einen betäubenden Schmerz im Steissbein und geschundenen Gelenken, über ihm im Schacht blickte die Kreatur auf ihn herab. Knurrend, nach frischem Fleisch lechzend und ihr Sabber tropfte auf Marcus' Stirn. Hastig sah er sich nach einem weiteren Ausgang um, konnte jedoch auf den ersten Blick im Halbdunkel nichts erkennen wohin er sich hätte retten können. Da sah er im Augenwinkel etwas glänzen. Ein runder messingfarbener Gegenstand - und vielleicht seine Erlösung aus diesem Elend. Es war eine Patrone für seinen Revolver. Die siebte und letzte, die er in die Hosentasche gesteckt hatte weil in der Trommel kein Platz mehr war. Er zog die Waffe aus dem Hosenbund, liess die Trommel hinausschnellen, schob die Patrone in die Kammer und machte den Revolver schussbereit. "Nur eine Kugel, für dich oder für mich!" sagte er halblaut vor sich hin und hielt sich den Lauf an die Schläfe.
lendenzorn am 15. April 11
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