"Evolve" Alpha - Hands-on Bericht (PC)
In einer Zeit der kompetitiven Multiplayertitel wie Call of Duty und Konsorten sind Spiele mit kooperativem Gameplay eine erfrischende und willkommene Abwechslung. Genau in jene Nische schlugen vor 6 Jahren der Zombieshooter “Left 4 Dead“ und kurze Zeit später auch dessen Nachfolger, der den Erfolg des Erstlings sogar noch toppen konnte. Vor allem die Modi in welchen 4 Überlebende Spieler gegen ein Team aus ständig wechselnden Zombies antraten entpuppten sich als wahre Spassgranaten und sorgten für so manche durchzockte Nacht.

Die dafür verantwortlichen Entwickler der Turtle Rock Studios lancierten nun vom 31. Oktober bis zum 04. November eine erste grosse Alpha ihres neuen Titels “Evolve“, bei welcher Serverstabilität und Spielsystem getestet werden sollten. Erstmals nach der E3 war es Spielern also möglich, Hand an den neuen Titel zu legen und sich mit eigenen Augen ein Bild des neuen Konzeptes zu machen.
Was genau ist es? Was will es? Wie spielt es sich? Und vor allem: macht es Spass?
Ich durfte mich dank einem Alpha-Key unter die anderen unzähligen Teilnehmer begeben und kräftig mitmischen, dabei erste Erfahrungen sammeln und für mich selber entscheiden ob ich das auch in Zukunft spielen will oder nicht.

Für all jene welche die Alpha verpasst, keinen Key ergattert oder sich bislang schlichtweg nicht für den Titel interessiert haben, hier also mein ausführlicher Bericht über die “Evolve“-Alpha.


Worum geht es?
Der dünne rote Faden im Hintergrund ist recht schnell erzählt: in ferner Zukunft gründen die Menschen Kolonien auf fremden Planeten um dort Rohstoffe abzubauen oder mit Kraftwerken für Energienachschub zu sorgen. Der lokalen Fauna gefällt das natürlich so gar nicht, weshalb diese recht schnell den Aufstand planen. Jeweils ein besonders gefährliches Exemplar bildet dabei die Vorhut, die nun von einem menschlichen Jägerteam aufgehalten werden soll, bevor es die Industrieanlage komplett zerstört.
Das klingt auf dem Papier nicht allzu spannend und wäre noch nicht einmal ein Kandidat für die goldene Himbeere – aber das war auch nie im Sinne der Entwickler. Man hat gar nicht erst versucht ein künstliches Grundgerüst für die packenden Gefechte aufzubauen, man wollte lediglich sicherstellen dass ein jeder weiss was er hier eigentlich genau tut und warum er hier ist.
Basierend auf dieser Prämisse schlüpfen also 4 Spieler in die Rollen der Jäger und ein weiterer darf sich darin versuchen, das Monster zu steuern. Einer? Richtig gelesen, “Evolve“ ist ein sogenannter asymmetrischer Shooter in dem ein zahlenmässiges Ungleichgewicht herrscht, was sich aber nicht zwingend auf die Balance oder den Spielverlauf auswirken muss. Wieso dem so ist, darauf gehe ich später ein.

Erstmal finden sich sämtliche Teilnehmer in der Lobby ein – dedizierte Server gab es bislang noch nicht – und wählen danach ihre Klasse aus indem sie Präferenzen dafür festlegen. Eine freie Wahl besteht also selten, eher werden die Vorlieben der einzelnen Spieler einander angeglichen und anhand dessen ausgewürfelt, wer welche Rolle verkörpern wird. Spricht man sich unter einander ab, sind aber natürlich auch teaminterne Wechsel möglich – lediglich dem Monster ist es nicht möglich, seinen Platz mit einem Jäger zu tauschen.
Als nächstes dürfen die einzelnen Klassen noch nach Vorlieben minimal angepasst werden; pro Klasse gibt es jeweils mehrere Charaktere, jeder mit anderen Waffen und Fähigkeiten. Diese wollen allerdings erst freigespielt werden in dem man massig Erfahrung in den Gefechten sammelt.
Sind letztendlich alle soweit, startet die Runde und das Level offenbart sich erstmals in Spielgrafik. Wer das Monster steuert, darf 30 Sekunden vor den Jägern starten und sich seinen Weg über die Planetenoberfläche bahnen. Ziel ist es dabei, anderweitige, kleinere Tiere zu töten und zu verspeisen um Erfahrungspunkte und Energiereserven zu sammeln. Bedienen wir uns genügend an der örtlichen Fauna, steigen wir einen Level auf in dem wir eine erste Evolution zur Stufe 2 starten. Das Monster wird dabei nicht nur grösser und stärker, es darf auch zusätzliche Punkte in 4 vorgegebene Fertigkeiten verteilen, verliert dabei aber auch ein wenig an Schrittempo. Das ist umso ärgerlicher, da wir als Monster mit jedem unserer Schritte Spuren hinterlassen, denen die Jäger folgen können. Zwar können wir jene Spuren vermeiden indem wir schleichen, springen oder durch Wasser waten, müssen dadurch aber auch unsere eigenen Route anpassen und möglicherweise Umwege zum Ziel in Kauf nehmen. Nur wenn wir mit grösster Umsicht und einer ordentlichen Portion Taktik vorgehen, gelingt es uns, Stufe 3 zu erreichen. Ein paar Fertigkeitspunkte später sind wir dann auf dem grössten, aber schwerfälligsten Maximallevel angelangt und sind somit endlich in der Lage, den Reaktor der Industrieanlage anzugreifen und zu zerstören. Wenn dabei nur die Jäger nicht wären…

Diese erreichen den Planeten per Luftschiff und werden erstmal in schwindelerregender Höhe weit über der Map abgesetzt oder besser gesagt aus dem Flugzeug geworfen. Unten angekommen müssen sie sich erstmal in der Map orientieren: wo sind wir, wie gehen wir vor und vor allem: wo ist das Monster? Eben dieses sollten die Jäger so schnell wie möglich ausfindig machen bevor es Stufe 2 oder – Gott bewahre – sogar Stufe 3 erreicht. Doch das ist leichter gesagt als getan, vor allem wenn es sich beim Gegenspieler um jemanden mit ein wenig Erfahrung und/oder Geschick handelt. Dann nämlich findet das Team rund um seine Landezone erst einmal nichts ausser Landschaft. Keine verräterischen Fussspuren, keine Tierkadaver. Somit kommt also gleich zu Beginn der Trapper ins Spiel, die wohl wichtigste Klasse bei der Verfolgung des Ungetüms. Je nach Charakter hat der Trapper entweder eine Art Alienhund mit dabei, welcher auf Knopfdruck langsam aber stetig die Witterung des Monsters aufnimmt; oder aber der Spieler kann Sensoren plazieren welche wiederum Feindbewegungen aufnehmen und visuell an uns weitergeben. Auf diese Weise verfolgen wir die Fährte des Ungeheuers, hinken dabei aber stets einen Schritt hinterher. Schliesslich zielt die Fährte dorthin wo das Vieh durchgegangen ist und somit einst war, auch wenn es sich möglicherweise bereits ein anderes Versteck gesucht hat.
Um es schneller ausfindig zu machen, sollte sich die Gruppe also aufteilen, was allerdings auch mehr Gefahren mit sich bringt. Denn trotz Jetpacks auf dem Rücken sind die menschlichen Charaktere vor allem zu Beginn entscheidend langsamer unterwegs als ihr tierischer Gegenpart und bewegen sich im Gelände weitaus behäbiger. Hinzu kommt, dass ein Duo oder gar nur ein einzelner Jäger für das Vieh ein gefundenes Fressen darstellt und meist binnen Sekunden am Boden liegt, oder sogar bereits den Tod gefunden hat bis die rettende Verstärkung eintritt. Denn nur mit vereinten Kräften lässt sich das Ungeheuer in Schach halten und besiegen – wer diesen Umstand nicht beachtet, ist komplett chancenlos.
Ist das Alien endlich in Sichtweite hilft also nur Teamwork. Per Spezialmunition aus dem Scharfschützengewehr kann der Medic das Vieh zwar verlangsamen um den Abstand zu verringern, aber nicht festhalten. Das wiederum ist erneut eine Aufgabe für den Trapper in der Gruppe, also den Fallensteller. Im entscheidenden Moment eingesetzt kann das Monster so unter einer elektromagnetischen Kuppel festgehalten werden; eine Art mobile Kampfarena aus der nichts ausbrechen kann – auch kein Jäger. Mit im Boden versenkten Enterhaken kann der Trapper dann auch noch seine letzte Fähigkeit zum Einsatz bringen und das Monster am Boden festhalten, was dessen Flucht entscheidend erschwert.
Mit seinem Präzisionsgewehr und einigen gut plazierten Treffern markiert der Medic die Schwachstellen des Gegners, eher er seine Teamkollegen heilend unterstützt. Dabei kann er sich jedoch nur immer auf einen einzelnen Mitstreiter konzentrieren, oder in einem begrenzten Radius einen Lebenskraftschub an alle um ihn herum verteilen.
Die Aufgabe des Assaults wiederum ist so simpel wie auch wichtig: als Berserker der Truppe geht er mit vollem Magazin auf das Vieh los und haut ihm entweder Energiestrahlen aus kurzer Distanz oder blaue Bohnen über mittlere Distanzen um die Ohren. Gerät er in Bedrängnis hilft ihm ein Energieschild der einige wenige Hiebe aushält ehe er sich wieder regenerieren muss. Wenn er nicht direkt angreift kann er versuchen die Bestie mit Annäherungsminen in Schach zu halten, von denen maximal 5 Stück gleichzeitig gelegt werden können.
Als letzte Klasse begibt sich der Supporter ins Gefecht. Er agiert ebenfalls eher aus dem Hintergrund und schützt seine Kameraden aus der Distanz per Energieschild vor Treffern oder macht alles in einem bestimmten Umkreis unsichtbar, beispielsweise besonders hilfreich beim wiederbeleben gefallener Kollegen. Mit seiner Impulswaffe kann der Supporter zwar auch brauchbaren Direktschaden austeilen, als effizienter erweist sich allerdings ein Luftschlag den er in zeitlich begrenzten Abständen anfordern kann. Perfekt getimed wird das Monster so von mehreren schweren Brandbomben getroffen die von oben herabsegeln – das ist genau so verheerend wie es klingt. Doch vorsicht: Jäger wurden in der Alpha durch die Bomben zwar nicht verletzt, aber meterweit durch das Level geschleudert. Nicht gerade vorteilhaft, sollte sich der Gegner gerade auf der Flucht befinden.

Segnet einer der menschlichen Spieler trotz aller Wiederbelebungsversuche das zeitliche, muss dieser 90 Sekunden auf das nächste Dropship warten um dort wieder abzuspringen und erneut im Level zu landen. Derart dezimiert und geschwächt bieten sich dem Jägerteam zwei Möglichkeiten: das Monster weiterhin verfolgen und dessen geschwächten Zustand vom vorhergehenden Gefecht ausnutzen, dabei aber Gefahr laufen dass man vom Gegenspieler noch mehr auseinandergenommen wird; oder aber man lässt sich zurückfallen und wartet auf die Verstärkung, lebt dabei aber mit dem Risiko dass sich das Monster an der Fauna labt, somit Energie regeneriert und ggf. die dritte Evolutionsstufe erreicht. Es ist ein ständiges Abwägen der eigenen Stärken und Schwächen, die Taktik kann sich von Minute zu Minute ändern und genau dieses dynamische Gameplay sorgt dafür dass kaum ein Match gleich abläuft.

Zwar war die Abwechslung während der Alpha noch arg limitiert, da es nur 3 spielbare Karten und bloss einen Modus gab, für einen ersten Eindruck hat das aber bereits ausgereicht. In erster Linie war dabei auch die Technik beeindruckend: der Grossteil der Partien verlief völlig lagfrei und die zugrundeliegende CryEngine zeigt in ihrer aktuellsten Form wie Multiplayertitel aussehen können. Die Karten sind riesig und warten mit unzähligen Details auf, von Rauch- und Partikeleffekten zu dynamischem Wasser und allesüberwuchernder Flora und Schneegestöber. “Evolve“ ist ein wirklich hübsches Spiel, hat dabei aber ziemlichen Hardwarehunger. Mein Testrechner, bestehend aus i5-3450, GTX 660 OC und 8GB RAM konnte die Alpha in 1080p bei mittleren Details gerade so flüssig stemmen. Mit ein wenig mehr Feintuning und entsprechenden Treibern lassen sich bestimmt noch mehr FPS aus der Engine kitzeln – man darf gespannt sein inwieweit sich das noch ändern wird.

Natürlich ist längst noch nicht alles balanciert oder perfekt auf einander abgestimmt. So manche Fähigkeit dürfte bis zum Release noch geschwächt werden – vor allem auf der dritten und letzten Stufe ist das Monster unglaublich stark und tötet mit ein wenig Geschick ein komplettes Team binnen weniger Minuten. Umso spannender gestalten sich die Gefechte allerdings wenn beide Seiten in etwa gleich stark sind und sich bereits ein wenig auf den Maps auskennen. In diesen Situationen entfaltet “Evolve“ sein volles Potential und zeigt, wieviel Spass das fertige Spiel machen könnte. Hoffen wir nur, dass Turtle Rock für genügend Langzeitmotivation sorgt.


Fazit
Ich hatte während der 4 Tage in der Alpha unglaublich viel Spass, mehr als bei manch anderem Multiplayertitel der jüngeren Zeit. Dabei hat mich das Spieldesign und das Gameplay im positivsten Sinne an das vorhergehende “Left 4 Dead 2“ erinnert, dessen Parallelen klar ersichtlich sind. So spielt sich der Goliath als Monster in Grundzügen ähnlich wie der Tank aus der wilden Zombiehatz, kann bei entsprechendem taktischen Geschick allerdings noch auf viel mehr Möglichkeiten zurückgreifen, den Jägern das Leben schwer zu machen.
Ich hab mich beispielsweise diebisch gefreut als ich nach einem hektischen Gefecht ein paar Meter geflüchtet bin ehe ich mich duckend in einem Gebüsch versteckt hab. Nichtsahnend sind die Jäger an mir vorbeigerannt, bevor ich mich von hinten anschleichen und sie mit einem heftigen Angriff überraschen konnte.
Oder wenn man sich nur knapp retten kann, einen sicheren Unterschlupf findet, die dritte Evolutionsstufe einleitet und danach mit voller Kraft zurückschlägt – das sind die Momente in denen “Evolve“ beinahe brilliert. Das Spiel ist dabei ein sicherer Kandidat für Teamspeak & co., nicht zuletzt da die Absprache im Jägerteam unverzichtbar ist. Erstaunlicherweise hat aber das Zusammenspiel in der Alpha meist hervorragend geklappt, trotz unausgeglichenem Matchmaking. Da wurden hochrangige Level 20 Spieler mit Anfängern zusammengewürfelt um gegen ein Level 8 Monster anzutreten, oder ein komplettes Anfängerteam hatte es mit einem bereits erfahrenen Gegner zu tun. Das sind Dinge die bis zum Release natürlich unbedingt gefixt werden müssen; aber in der Alpha ging es natürlich in erster Linie um die Serverstabilität – und diese war erfreulich gut. Nur sehr selten habe ich es erlebt dass Spieler aus dem Match flogen (ob ungewollt oder nicht war nicht zu erkennen) oder es komplette Verbindungsabbrüche gab. Einzig die Ladezeiten zu Anfang jeder Runde waren doch unerträglich lange, wobei ich aber auch Spiele erlebt hab in denen es binnen weniger Augenblicke los ging. Überlastete Server oder schwache Rechner der Clients könnten hier ausschlaggebend gewesen sein – genaueres wissen wohl nur die Entwickler.
Als einzigen Grafikbug tauchte urplötzlich während 2 Sekunden eine graue Textur vor mir auf, die danach wieder spurlos verschwand, und der integrierte Voicechat wollte nicht immer richtig.
Abgesehen davon lief bereits die Alpha erfreulich stabil und hat vor allem extrem viel Spass gemacht. In der Hoffnung auf mehr Karten, Charaktere und Spielmodi ist meine Vorbestellung bereits plaziert und ich kann den Februar kaum mehr abwarten.

Ersteindruck: Hitpotential