"Sylosis - Dormant Heart" CD-Review



Es gibt Bands, die ihrem Stil jahrzehntelang treu bleiben und solche, die bei jedem Album etwas neues versuchen wollen, einen Schritt weitergehen und sowohl ihre eigenen wie auch die Grenzen ihrer Fans ausloten. Zu letzteren gehören sicherlich auch Sylosis aus dem englischen Reading, die nun mit “Dormant Heart“ ihr mittlerweile 4. Studioalbum abliefern – und dabei erneut einen leichten Stilwechsel einschlagen. Doch gefällt das?

Wir erinnern uns an den derben Stilbruch zwischen “Conclusion of an age“ und dessen Nachfolger “Edge oft he earth“. Von solidem, aber leicht generischem Metalcore mit Thrash-Anstrich verabschiedet sah man sich plötzlich mit einer Platte konfrontiert, welche das vorherige Konzept komplett über den Haufen warf. Neumodischer, melodischer Thrash vermischte sich mit progressiven Elementen und experimentellen Blues-Einflüssen zu einem eigenständigen Werk – es liess sich nichts Vergleichbares finden und Sylosis hatten damit ihre eigene Nische geschaffen, die sie perfekt füllten.
Nach dem vergleichsweise etwas zu experimentellen “Monolith“ haben die Engländer nun einen Gang zurückgeschaltet und sich wieder vermehrt auf das Essentielle konzentriert: erneut verpackt in einem Konzeptalbum präsentieren sich uns 12 Songs (in der Bonus-Edition sind es noch 2 mehr) mit einer ziemlich klaren Linie. Während die meisten davon im Mid-Tempo Bereich angesiedelt und mit progressiven Elementen gespickt sind, finden sich auch einige Tracks darunter, die den Thrash-Hammer so richtig kreisen lassen und für den einen oder anderen verspannten Nacken sorgen werden. Als Beispiele seien hier „Victims and Pawns“ oder das titelgebende „Dormant Heart“ genannt.
Doch gerade die etwas gemächlicheren Stücke sind es, welche die Klasse dieser Band so richtig zum tragen bringen: „Leech“, „Mercy“ oder „Servitude“ sind nicht nur einwandfrei komponiert, sondern auch technisch auf einem Level mit welchem selbst so manch gestandene Kapelle nicht mithalten kann.
Natürlich gibt es auch Ausreisser wie das zwar atmosphärische, aber langatmige „Quiescent“ und die beiden Bonus-Tracks hätte man sich in meinen Augen auch sparen können, aber das ist Kritik auf einem sehr hohen Niveau.
Vorrangig auffällig ist jedoch der allgemein sehr schwermütige Grundton des Albums. Unter der umfassenden Thematik einer Gesellschaft, in welcher wir alle wie Lämmer hinter einander herlaufen, benötigt unser schlafendes Herz einen Weckruf um aus diesem Trott auszubrechen. Das Thema wird von allen Seiten her betrachtet und angesprochen, kritisch, verzweifelt, traurig, wütend und auch mal ironisch – aber immer mit einem ernsten Grundton. Grundpfeiler für all jene Emotionen ist auch auf “Dormant Heart“ wieder das Organ von Frontmann und Gitarrist Josh Middleton. Zwar ist im Vergleich zu den vorherigen Alben keine grosse Steigerung wahrzunehmen, dennoch macht er seinen Job sehr ordentlich und bringt die Texte entsprechend rüber.
Instrumental bewegt sich die neue Platte auf einem ähnlichen Level wie schon die Vorgänger, legt die Messlatte derweil aber nochmals ein Stückchen höher. Die auf Grundton gestimmten Gitarren legen sich mit ordentlich Volumen auf die Ohren, während die Drums als wuchtige Unterstützung dienen und in erster Linie die Toms die komplette Soundwand zu durchdringen vermögen.
Die Produktion lässt letztendlich keine Wünsche offen und die Platte klingt genau so wie man sich ein ordentliches Metalalbum vorstellt.

Fazit
Genau wie schon bei den beiden Vorgängern, ist es extrem schwierig, “Dormant Heart“ zu bewerten oder irgendwem zu empfehlen. Wieso? Weil die Platte wiederum anders klingt als die letzten Werke – und erst recht im Vergleich zum Debutalbum. Vom ehemaligen Metalcore-Einschlag ist nichts mehr übrig geblieben, doch was genau ist das hier vorliegende? Thrash? Vielleicht. Doom? Sicher auch, ja. Death? Hört man immer wieder aufblitzen. Progressive? Sind die Herren schon lange.
Die Scheibe ist eine wilde Mischung aus alledem, mal schnell, mal langsam, erst mit ordentlichem Arschtritt und dann wieder verzweifelt flehend. Doch eines ist sie immer: laut, brachial und vor allem auf einem technisch enorm hohen Level. Erneut finden sich grossartige Riffs vor treibenden Rythmen und sorgsam eingebettete Soli die im Gegensatz zu manch anderen Bands immer im Kontext des restlichen Songs stehen und dessen Grundstimmung genau so beibehalten.
“Dormant Heart“ ist beileibe kein beliebiges Album und schon gar nicht leicht verdaulich. Erneut braucht es 1-2 Durchläufe bis man die Scheibe wirklich zu schätzen lernt, vermag sich dann aber kaum mehr an ihr satt zu hören. Es ist nicht eines jener Alben von denen man einzelne Songs hört und das Gesamtwerk aussen vor lässt. Es ist ein reines Konzeptalbum, dazu gedacht dass man die vollen 59 Minuten aufmerksam zuhört – zum Beispiel während einer Autofahrt oder noch besser mit dem Kopfhörer auf seinem Lieblingssessel.
Wer schon lange auf etwas wirklich grossartiges von Metallica wartet oder mit der aktuellen Scheibe von Machine Head nicht so ganz zufrieden ist, der sollte sich von Sylosis unbedingt ein Ohr voll gönnen. So polarisierend ihr Stil auch sein mag – wer sich darauf einlässt, erlebt ein absolut grossartiges Album und den wohl besten Einstieg in das Metaljahr 2015 den man sich nur wünschen konnte.

-> 9/10 Punkte