Wer in Sachen Hardware nicht unter einem Stein lebt, der dürfte den Launch von AMDs neuer "Polaris" Serie sicherlich ebenfalls miterlebt haben. Die Radeon RX480 sollte das neue Flaggschiff in der Mittelklasse werden, im so wichtigen Preissegment von 200-300€. Doch leider schaufelte man sich wieder einmal selber sein Grab indem man die Kundschaft viel zu lange auf die Custom-Designs der Boardpartner warten liess. MSI, Asus, PowerColor, XFX, HIS und auch Sapphire hatten ihre Karten längst angekündigt - doch irgendwo erwerben konnte man bis vor kurzem kaum eine davon. Sämtliche Lagerbestände waren durch Vorbesteller bereits vergriffen und selbst jene mussten wochenlang auf ihre Karten warten.
Dazwischen schob AMD allerdings die etwas kleinere RX470 nach. Weniger Compute Units, etwas langsamer angebundener Speicher und somit weniger Rohleistung - dafür aber auch günstiger. Ist dies die Lösung für all jene, die nicht auf die RX480 warten möchten und die von Nvidias Preispolitik langsam die Nase voll haben?
Dieser Text soll genau diese Frage beantworten - und zwar aus der Sicht eines Käufers. Benchmarks mit diversen Spielen und Szenarien finden sich im Netz zuhauf, somit werden diese an dieser Stelle nicht erwähnt. Viel wichtiger ist hingegen die tatsächliche Spieleleistung und wie befriedigend eine Grafikkarte der Mittelklasse für 230€ wirklich sein kann.
Technische Daten
GPU:
- 2048 Stream-Prozessoren
- 14-nm-FinFET
- GCN (Graphics Core Next) der 4. Generation
- 1260-MHz-Grafikchip
- 1121 MHz Engine Base Clock
Speicher:
- 256-Bit-Memory Bus
- 8192 MB GDDR5 Speicher
- 2000 MHz Speichertakt
Displays:
- 1x DL-DVI-D
- 2x HDMI 2.0b
- 2x DisplayPort 1.4
Formfaktor:
- 2 Slots belegt
- 240 X 120 X 42 mm
Leistungsaufnahme
- bis zu 150W über 1x 8-Pin
Die
Sapphire RX470 Nitro+ 8GB beherrscht natürlich DirectX 12, OpenGL 4.5 sowie AMDs neue API namens "Vulkan" (zu deren Performance später mehr). Mit nur 24cm Länge und einem einfachen 8-Pin Anschluss findet die Karte auch in kleineren und weniger üppig ausgestatteten Gehäusen Platz, zudem wird dank des eigenen Kühlerdesigns sowohl Luft in Richtung CPU Kühler wie auch aus dem Case hinausbefördert. Doch genug Theorie, befassen wir uns mal näher mit dem schicken Teil:
Optik/Haptik
Beim Öffnen der Schachtel springt zuerst die etwas magere Ausstattung ins Auge. Lediglich ein Handbuch sowie eine Treiber-CD werden beigelegt, Bundles mit dazugehörigen Spielen oder Keys gibt es bislang noch nicht. Die Treiber-CD kann man eigentlich auch getrost sogleich entsorgen, da Windows automatisch die Erstinstallation vornimmt und man im Anschluss bequem den aktuellen Treiber direkt von AMD holen sollte.
Die Karte ansich macht beim auspacken bereits einen hervorragenden Eindruck. Alles fühlt sich fest verbaut und extrem wertig an, nichts knarzt oder bewegt sich - bis auf die beiden Lüfter natürlich, die sich erstmals mit einer einzelnen Kreuzschraube lösen und reinigen, oder bei Bedarf auch austauschen lassen. Das ganze ist binnen einer Minute erledigt und denkbar simpel. Das reinigen von staubigen Lüftern ist somit einfacher denn je.
Zum positiven Gesamteindruck trägt auch die rückseitig angebrachte Backplate bei. Sie dient nicht nur der Stabilität, sondern leitet auch die Wärme vom Chip weg. Auffällig sind dabei die Lüftungsschlitze nahe der Oberkante, durch welche die Luft vom Kühler in Richtung CPU geblasen wird.
Ebenfalls an der Oberkante befindet sich das SAPPHIRE Logo, welches standardmässig blau leuchtet, durch einen Schalter aber auch in diversen Farben angepasst werden kann. Eine Lösung um das unter Windows softwaremässig einzustellen, existiert bislang nicht. Bei Bedarf kann die Beleuchtung allerdings auch komplett ausgeschaltet werden.
Auf dem Bild leider nur sehr schwer erkennbar ist ein kleiner Hebel, der ein Umschalten zwischen Silent- und OC-BIOS ermöglicht.
Im Silent-Modus taktet die Karte nur noch maximal mit 1.205 MHz anstatt mit 1.260 MHz, benötigt dafür aber auch weniger, und somit leisere, Kühlung. Eine ideale Lösung also für all jene, denen ein flüsterleises System wichtiger ist als ein wenig mehr Leistung.
Performance
Der ganz klar wichtigste Punkt einer neuen Grafikkarte: wie schneidet sie im alltäglichen Spielebetrieb ab?
Seit dem Kauf der Karte hab ich sie durch diverse Spiele gejagt und zu Testzwecken natürlich die Grafik stets auf das Maximum gestellt. Die Ergebnisse sind bei manchem Titel durchaus überraschend - handelt es sich hierbei doch nur um eine Mittelklasse-Karte - bei anderen hingegen hätte man sich mehr erhofft.
- DOOM (2016):
Ultra Details inkl. Kantenglättung: 100-120 FPS
- Dying Light:
Maximale Details + Kantenglättung, ohne Nvidia Features: 60-80 FPS
- Far Cry 4:
Maximale Details + Kantenglättung, ohne Nvidia Features: 70-90 FPS
- Rise of the Tomb Raider:
Max. Details, Pure Hair sehr hoch, HBAO+, FXAA: 45-50 FPS
- Crysis 3:
Sehr hohe Details, 4-fache Kantenglättung: 60-70 FPS
(Alle Angaben in einer Auflösung von 1920x1080. Zum Einsatz kamen ein i5-3550, 16GB DDR3 unter Windows 7 und alle Spiele liegen auf einer WD Blue HDD)
Titel wie
"Assassins Creed",
"The Witcher 3" oder
"The Division" liegen mir mangels Interesse nicht vor, weshalb man sich an dieser Stelle mit diesem Auszug an Titeln begnügen muss. Besonders auffällig ist das verhältnismässig bescheidene Abschneiden in
"Rise of the Tomb Raider". Jedoch genügt eine leichte Anpassung (FXAA statt MSAA, keine Tesselierung, einzelne Effekte um eine Stufe zurück) um in den flüssig spielbaren Bereich von 60-70 FPS zu gelangen. Optisch sieht das Spiel dann noch immer sehr gut aus, die Unterschiede lassen sich höchstens im Standbild mit der Lupe suchen. Das Resultat ist hier jedoch nicht der RX480 geschuldet und der Tatsache, dass diese nicht genügend Leistung hätte, sondern der eher zweckmässigen Optimierung des Spiels. Zum Vergleich: selbst eine fast doppelt so teure GTX 1070 erreicht bei maximalen Settings nur um die 70 FPS.
Im krassen Gegensatz dazu steht das neue
"DOOM": der neueste Sprössling von id Software hat in einem seiner letzten Updates die Grafikschnittstelle Vulkan integriert bekommen, eine sogenannte Low-Level-API, welche vor allem schwächeren Systemen zusätzlichen Schub verschaffen soll. Und während die RX470 standardmässig unter OpenGL lediglich ~80 FPS liefert, ist der Anstieg auf bis zu 120 FPS unter Vulkan enorm!
Leider gibt es zu diesem Zeitpunkt noch fast keine Spiele die mit Vulkan arbeiten oder dies in naher Zukunft integrieren werden;
"DOOM" zeigt allerdings eindrücklich was mit der Schnittstelle möglich ist - dies schürt die Hoffnung auf weitere Beispiele dieser Art. Nicht zuletzt, da auch Nvidia Karten im selben Spiel höhere FPS-Zahlen abliefern, auch wenn der Performanceschub nicht ganz so immens ist wie bei den AMD Pendants.
Temperatur, Kühlung, Tweaking
Je nach Spiel und Auslastung erreicht der Chip der
Sapphire RX470 Nitro+ 8GB bis zu 75° Celsius, wobei die Lüfter mit rund 2200 Umdrehungen pro Minute wirbeln. Wärmer wurde unter meiner Beobachtung die Karte dabei zu keinem Zeitpunkt und auch der maximale Takt von 1260 MHz konnte durchgehend gehalten werden - es gab also nie Performanceeinbussen, welche einer unzureichenden Kühlung zuzuschreiben wären. Da die beiden Lüfter unter Volllast jedoch bis zu 40 Dezibel laut werden, ist dies zwar nicht laut, aber je nach Gehäuse durchaus wahrnehmbar. Als äusserst positiv zu erwähnen wäre an dieser Stelle das nicht vorhandene Betriebsgeräusch unter idle, bzw. auf dem Desktop. Solange die GPU unter 60° Celsius bleibt, stehen die Lüfter still. Somit sind sogar einzelne, weniger hungrige Spiele durchaus in der Lage völlig lautlos gespielt zu werden. Grossartig.
Sollten die Lüfter während des Spielens allerdings tatsächlich für den eigenen Geschmack zu laut werden, so lässt sich dem jedoch mit dem weiter oben erwähnten BIOS-Schalter entgegenwirken. Wer die Karte im Silent-Mode betreibt, beobachtet eine maximale Drehgeschwindigkeit von ca. 1360 RPM. Dies ist einiges leiser, die Temperatur bleibt jedoch bei soliden 75°, da auch der Takt auf 1206 MHz gesenkt wird. Die Einbusse in der Performance beträgt dabei abhängig vom Spiel maximal 3-5%. Dies kann sich natürlich mit künftigen Titeln ändern, in den aktuellen Beispielen ist dies jedoch zugunsten eines leiseren Systems absolut zu verschmerzen.
Gerne kann ein jeder Käufer aber auch versuchen, den Lüfter und die Voltspannung bei gleichbleibendem Takt anzupassen, oder diesen gar zu erhöhen. Dazu liefert AMD mit ihrem neuen Treiber ein Tool mit dem schönen Namen
"Wattman" aus. Damit lassen sich Taktraten, Lüfterkurven, Speichertakt usw. an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Auch wenn die RX400er Serie nicht zu den Topmodellen in Sachen Übertaktung zählt, so berichten einzelne dennoch von stabilen Taktraten zwischen 1350-1400 MHz, was nochmals für einen netten kleinen Performanceboost sorgt.
Fazit
Die
Sapphire RX470 Nitro+ 8GB ist je nach Händler und Verfügbarkeit für rund 260€ oder 280 CHF erhältlich. Leider ist es nach wie vor eher Glücksache einen Händler zu finden, der die verschiedenen AMD Modelle auch tatsächlich an Lager hat, denn nach wie vor scheinen sie alle restlos vergriffen zu sein. Doch wenn man eine erstehen könnte, sollte man das auch tatsächlich tun?
In meinen Augen macht man mit einer RX470 nichts falsch, sofern man zu einer Version mit 8GB Speicher greift. Nur so stellt man sicher, dass man auch für sehr hohe Texturen oder gar die WQHD Auflösung gerüstet ist. Allerdings brillieren die Karten erst unter Vulkan und ggf. DirectX 12, doch beide Schnittstellen stehen erst noch in den Startlöchern und werden bislang nur unzureichend genutzt. Konzentriert man sich also nach wie vor auf DirectX 11, so müsste man der Konkurrenz mit der GTX 1060 den Vorzug gewähren. Diese bietet zwar nur 6GB VRAM, bringt jedoch die höhere Rohleistung auf Papier und kann diese in den meisten Titeln auch abrufen. Solange der VRAM also kein limitierender Faktor ist, bietet Nvidia in diesem Preissegment die bessere Performance.
Doch sobald 6GB oder mehr verlangt werden, kann die RX470 ihre Stärken ausspielen und dürfte somit auch für die nächsten 2-3 Jahre ein zuverlässiger und fähiger Begleiter sein, denn der VRAM Bedarf steigt kontinuierlich an.
Letztendlich macht man mit keiner der beiden Karten etwas falsch, entscheidend dürfte der Preis sein. Wer ein tolles Angebot für eine der beiden Optionen entdeckt, darf ungeniert zuschlagen und sich sicher sein, dass er bei einem vernünftigen Preis eine wirklich gute Karte erstanden hat. Die
Sapphire RX470 Nitro+ 8GB ist dabei nur eine von vielen Optionen, überzeugt jedoch mit ihrer Lesitung bei mässiger Lautstärke und einer wirklich hervorragenden Verarbeitungsqualität.
-> 9/10 und damit eine Empfehlung für jeden Spiele-PC der einen neuen Pixelschubser benötigt.